Ansichten von Art d’Ameublement, Rena Tangens und padeluun, „Wiwiwi – Nang Nang Nang“, Klanginstallation in der Lobby des Museums Marta Herford als Teil des Vermittlungsprogramms. Copyright Marta Herford, Fotograf: Hans Schröder

Art d’Ameublement, Rena Tangens & padeluun

Wiwiwi – Nang Nang Nang

1994

Holz, Stahl, Elektronik, Solarpanel

Diese Gruppe von Satelliten-Graugänsen illustriert freundliche Kommunikationsstrukturen – technisch und zwischenmenschlich. Sie reagieren aufeinander, sie antworten. Sie geben Anstoß, über die wichtigste Ebene von Verständigung zu reflektieren.

Die Raum- und Klanginstallation ist Teil des aktuellen Vermittlungsprogramms.

 

Freundschaft lebt durch Austausch und Erkenntnis

1993 erreichte Art d’Ameublement eine Anfrage des Grazer Künstlerhauses, die uns baten, unsere Arbeit in Kunst und Netzen (Vorläufer des Internets) zur Abwechslung in ein sichtbares Werk zu gießen, das „ausstellbar“ ist.

Und so bauten wir – mit Hilfe vieler freundlicher Genies – die „wiwiwi – Nang Nang Nangs“: eine Raum/Klang-Installation mit einer Satelliten-Graugans-Peer-Group zur Illustration menschlicher und netztechnischer Kommunikationsstrukturen.

Jedes wiwiwi – Nang Nang Nang hat einen Korpus mit Schwanenhals und eigens entwickelter Elektronik, Flügel mit Solarzellen (unabhängige Stromversorgung für jedes wiwiwi – Nang Nang Nang), Watschelfüße und integrierte Lautsprecher und sie stehen in einer lockeren Gruppe beisammen. Nach Zufallsprinzip sagt irgendeines der Teile „wiwiwi“, worauf alle anderen Elemente mit „Nang Nang Nang“ antworten.

wiwiwi – Nang Nang Nang ist kein Smalltalk – es ist die Basis von Austausch und Verständigung. Ein Gespräch kann eine Möglichkeit sein, sich der eigenen Existenz und der anteilnehmenden Anwesenheit der anderen zu vergewissern. Das Gesprächsthema ist dabei keineswegs gleichgültig, aber es ist nicht unbedingt die wichtigste Ebene der Kommunikation.

Konrad Lorenz‘ Beobachtungen zur Prägung von Graugänsen (wunderschön geschildert in „Das Gänsekind Martina“) und Friedemann Schulz von Thuns vier Kommunikationsebenen (Sachinformation, Beziehung, Appell und Selbstoffenbarung) inspirierten uns, unsere eigenen Erfahrungen mit Kommunikation in den Netzen in dieser Installation umzusetzen.

Die wiwiwis – Nang Nang Nangs begeisterten nicht nur das Kunstpublikum, Kritiker und Presse sondern auch das Personal von zwei Fluglinien so, dass sie uns mit 8 (acht!) Teilen „Handgepäck“ (darunter 6 großen grauen Boxen voll

mit Elektronik, die dann doch im Gepäckraum verstaut wurden) ohne Aufpreis reisen ließen. Weitere Auftritte hatten die wiwiwis beim European Media Art Festival in Osnabrück, bei Earth Wire in England, beim Chaos Communication Congress und auf der CeBIT. Fast wären sie auch von einem großen Elektronikkonzern als Brunnenplastik angekauft worden. Doch kurz vor Abschluss platzte dessen Internet-Blase.

„Publikum – noch stundenlang –/ wiwiwi und Nang Nang Nang.“

(frei nach Joachim Ringelnatz)

 

Technisch/künstlerischer Hintergrund zur Aufstellung im Marta:

 

Diese wiwiwi – Nang Nang Nangs sind kleine Maschinchen. Jedes dieser Teile ist in der Lage „wiwiwi“ zu sagen, worauf alle anderen „Nang Nang Nang“ antworten. Im Grunde ein kleiner Taschenspielertrick – jedes der Teile hat einen Zufallsgenerator; sobald der Trigger bei einem der Teile auslöst, sendet es einen Funkimpuls, den die anderen auffangen und dann den zweiten Sprachchip aktivieren, der das „Nang Nang Nang“ ausgibt.

Hier findet sich in der Einfachheit auch der Diskurs (man kann auch Streit sagen) wieder, der zeitlebens zwischen KI-Forscher Marvin Minski und Joseph Weizenbaum stattfand: Weizenbaum kritisierte zum Teil mit einfachsten Mitteln die Forschung Minskis – am bekanntesten ist das Programm „Eliza“, das nur aus ein paar Zeilen Basic-Programmcode bestand und eine Psychologin simulierte.

Wir haben Anfang der 90er-Jahre diesen Prgrammcode um eine Datenbank mit Triggerworten und zugehörigen Antworten erweitert. Ursprünglich als „automatischer Chat“ in unserer MailBox //BIONIC eingebaut, haben wir das in veränderter Form als Beschwerde-Annahme-Chat für die künstlerische Aktion „Essen:Dialog“ im Restaurant der Ars Electronica in Linz installiert.

Das Wesen von KI ist, das wir es immer mit komplexer Statistik – aber nie mit Bewusstsein zu tun haben. Wir Menschen meinen in Maschinen bewusstes Verhalten zu erkennen „mein Auto will das nicht“ etc. Auch unsere wiwiwi – Nang Nang Nangs zeigen ein Verhaltensmuster, was auf einfachster Kommunikationsebene „intelligent“ erscheint – speziell in der Interaktion mit Menschen.

Toppen könnte man das, wenn diese Maschinchen auch dann mit „Nang Nang Nang“ antworten, wenn ein Mensch „wiwiwi“ sagt. Mit heutiger Technik wäre das relativ einfach umsetzbar.

Eine Ausstellung zu künstlicher Intelligenz muss sich natürlich dem Thema so nähern, dass die Annahme, es könne künstliche Intelligenz geben, als gegeben genommen wird. Aber so wie jede Religion in ihren Schriften die Möglichkeit zu erkennen gibt, dass der ihr zugrundeliegende Gott gar nicht existiert, muss auch eine KI-Austellung diese verneinende Botschaft mittragen.

Die wiwiwi – Nang Nang Nangs sind einfach genug, um durchschaut werden zu können. Und selbst dann werden sie noch geliebt.

 

Art d’Ameublement
Rena Tangens und padeluun

Bielefeld | ameublement.de